Wir sind alle Migrant:innen!
Deutschland ist weltweit mit den USA an der Spitze der Einwanderungsländer. Kaum ein anderes europäisches Land hat Migration so sehr verinnerlicht und eine solche Erfolgsgeschichte geschrieben, denn Migration bereichert uns nicht nur kulturell und ethnisch immens, sie ist und war auch ein wirtschaftlicher Motor. Uns ist wichtig in der Woche der Migrant:innen ein klares Zeichen für eine postmigrantische Gesellschaft zu setzen und vermeintliche Debatten, dass wenn der Zugang zum Deutschen Pass erleichtert wird als "Ramschware" endet, klar als populistisches Argument zu verweisen. Weil Menschen migrieren. Das ist so und das wird immer so bleiben. Die folgenden Kapitel haben wir größtenteills aus dem Artikel der bpb zusammengefasst, den wir Dir wärmstens ans Herz legen. <3
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Vor- und Kriegsjahre
Auch vor und während der zwei Weltkriege, die Deutschland begonnen hat, war die junge zentral-europäische Nation immer wieder von starker Migration betroffen bzw. war diese ein Bestandteil zur Gründung der Nation. Seien es die 1,3 Mio Menschen die bis 1910 bereits nach Deutschland migriert sind oder die knappen 5 Millionen Menschen die größtenteils in die USA migrierten: Deutschland war und ist ein Drehkreuz für Migration.
Während des Krieges und des Leides der systematischen Vernichtung von jüdischem Leben in Deutschland und um Deutschland herum, gab es ebenfalls einige Migration. So verließen 300.000 jüdische Emigranten NS-Deutschland nach 1933; die nicht genau bekannte Gesamtzahl jüdischer Flüchtlinge stieg nach dem "Anschluss" Österreichs und des Sudetenlandes auf bis zu 600.000. Hinzu kamen etwa 25–30.000 politische Emigranten.
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Nachkriegsjahre
Am Ende des Krieges gab es eine große Anzahl von Zwangsflüchtlingen in Deutschland und die Vereinten Nationen starteten die Genfer Flüchtlingskonvention, die bis heute – lernend aus den Fehlern der Vergangenheit - Menschen in Flucht ein Recht auf Asyl gibt. Nach der Teilung Deutschlands wanderten weitere 800.000 nach Übersee aus. Fast 3,5 Millionen Menschen migrierten innerhalb Deutschland von West nach Ost und umgekehrt, was schlussendlich zum innerdeutschen Mauerbau führte
Dank des Marshallplans und sich schnell entwickelnder wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum war im speziellen Westdeutschland auf stark steigende Arbeitsmigration angewiesen. Die Migration der Gastarbeiter:innen war also zentraler Bestandteil unseres heutigen Wohlstandes. Mit dem Anwerbeabkommen 1961 haben in den Jahren davor und danach 14 Millionen Menschen ihren Weg durch Arbeit nach Deutschland gefunden (Wovon über 10 Millionen auch wieder zurück migrierten)
mit den mediterranen Herkunftsländern und dem grundsätzlichen (allerdings durch zahlreiche Ausnahmen aufgeweichten) Beschäftigungsverbot für Ausländer, die nicht aus den Anwerbe- oder anderen 'westlichen' Staaten kamen
. Migrant:innen – vornehmlich aus dem Mittelmeerraum -sollten für einige Jahre in die Industriezentren Europas kommen und dort arbeiten, um anschließend mit dem gesparten Geld zurückzukehren und neuen Arbeitskräften Platz zu machen. Mit der Zeit war aber die Rückkehr für viele Migrant:innen nicht mehr attraktiv aus unterschiedlichen Gründen. Wir können sehr den Film von Çağdaş Eren Yüksel „Gleis 11“ empfehlen.
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1973 – Ölkrise und Anwerbestopp
Aber mit fortschreitender Migration erhoben Menschen auch ihre Stimme, weil Integration und erfolgreiche Inklusion in Gesellschaft auch ressourcenvoll begleitet werden muss, was zu diesem Zeitpunkt in Deutschland politisch nicht geschehen oder gewollt war. Einerseits stoppten alle westeuropäischen Industriestaaten zwischen 1970 und 1974 die Neuanwerbung von Ausländern oder schränkten die Zugangsmöglichkeiten zu ihren Arbeitsmärkten für nichtwestliche Außereuropäer stark ein. Andererseits zeigte die bereits in den Römischen Verträgen beschlossene und nach 1968 schrittweise umgesetzte Freizügigkeit für Arbeitnehmer:innen Wirkung. Somit hatte der Anwerbestopp beispielsweise auf italienische 'Gastarbeiter:innen' keinerlei Auswirkung, während insbesondere türkische und jugoslawische Staatsangehörige sich nun sehr genau überlegen mussten, ob sie in der Bundesrepublik bleiben und gegebenenfalls ihre Familien nachholen oder womöglich endgültig zurückkehren sollten. Der Anwerbestopp war also kein Einwanderungsstopp, sondern förderte vielmehr eine Tendenz zur familiären Migration bei gleichzeitiger Einschränkung des Zugangs auf den Arbeitsmarkt für 'nicht-westliche' Ausländer.
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Migration in der DDR
Zur gleichen Zeit, in der die Bundesrepublik die Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer beendete, begann die DDR mit befreundeten 'sozialistischen Bruderstaaten' Verträge über die Sendung von Arbeitskräften zu schließen, deren Mobilität jedoch noch deutlich restriktiver kontrolliert wurde, als in der Bundesrepublik. Hauptherkunftsländer der vorwiegend männlichen Vertragsarbeiter waren Kuba, Mosambik und Vietnam. Ihre Zahl stieg von durchschnittlich 11.000 zu Beginn der 1980er Jahr über 57.000 in der zweiten Hälfte der Dekade auf 190.000 ausländische Beschäftigte in der DDR 1989.
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Migration nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
Das Ende des Kalten Krieges führte also zu einer Wiederaufnahme traditioneller Migrationsbeziehungen die zunächst deutlich umfangreicher waren, als erwartet: Zwischen 1988 und 1993 kamen rund 3,7 Mio. Menschen nach Deutschland. Angesichts des weiterhin vorherrschenden Selbstverständnisses Deutschlands kein Einwanderungsland zu sein, führte dies zu schweren politischen Auseinandersetzungen die Anfang der 1990er Jahre in rassistische Gewalttaten mit über 50 Todesopfern seinen Höhepunkt fand. Weitere Folgen waren die Restriktion legaler Zuwanderungsmöglichkeiten (insbesondere aus Osteuropa) und eine drastische Einschränkung des Grundrechts auf Asyl. Wenngleich dadurch kurzfristig die Zahlen der Asylgesuche und mittelfristig auch die der Spätaussiedler wieder sanken, lief die so lange verleugnete Einwanderung weiter. Die Bürgerkriege des zerfallenden Jugoslawiens, die zunehmende Binnenmigration in Europa, wachsende globale Verflechtungen, vor allem aber ein zunehmend selbstbewusster Teil der eingewanderten Bevölkerung und ihrer Nachkommen führten schließlich gegen Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts dazu, dass die Bundesrepublik sich ihrer Einwanderungsgeschichte stellte und diese zunehmend auch offiziell anerkannte.
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21.Jahrhundert: Europäisierung der Migrationsrechte
Das Grundrecht auf Asyl hat seither in der Praxis an Bedeutung verloren und ist vom EU-Recht abgelöst, das maßgeblich auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 fußt. Seit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags 1999 liegt Asyl- beziehungsweise Flüchtlingsrecht im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union. Im Jahr 2000 trat ein neues Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft, das die Einbürgerung in Deutschland geborener Nachkommen von Einwanderern erleichterte und die Bundesregierung berief eine Kommission zur Erarbeitung eines neuen Migrationsrechts.
Das EU-Recht berücksichtigt jedoch weiterhin viele nationale asylrechtliche Regelungen und Entwicklungen. Die sogenannten Dublin-Verordnungen legen seit 2003 fest, dass grundsätzlich der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, über den die Einreise in das EU-Gebiet stattgefunden hat („Verursacherprinzip“).
Theoretisch heißt das für Deutschland, dass es nur dann für die Prüfung der Asylanträge zuständig ist, wenn die Asylsuchenden per Flugzeug nach Deutschland einreisen, was in den meisten Fällen ein Visum voraussetzt. Hinzu kommt, dass einige Länder als „sichere Drittstaaten“ definiert sind.
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Der Sommer der Migration 2015, Deutschland das Einwanderungsland & die Festung Europa schließt die Grenzen
Seit 2015 haben sich im Asylrecht und den Migrationsbewegungen viel getan. Als Grund für die erhöhte Migration sind sehr unterschiedliche klima-induzierte aber auch und in Folge dessen soziale Veränderungen wie etwa: der arabische Frühling, der Bürgerkrieg in Syrien, die zunehmenden Dürren in Ländern des globalen Südens. Viele diese Migrationsbewegungen haben ihren Weg über das Mittelmeer nach Europa gesucht.
Gleichzeitig hat in Deutschland ein Paradigmenwechsel stattgefunden. „Wir schaffen das“ war der Satz von der deutschen Kanzlerin, welcher epische Wirkung für die deutsche Zivilgesellschaft haben sollte. Über 1 Millionen Menschen durften über offene Grenzen nach Deutschland einreisen. Viele von ihnen kamen über das Mittelmeer oder die Balkanroute, die meisten waren Syrer:innen und Afghan:innen auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg. 55% der deutschen Bevölkerung haben sich engagiert und mitgeholfen, die Menschen willkommen zu heißen.
Aber leider haben große Entscheidungen oft auch große Konsequenzen, so waren die deutschen Behörden mit der Vielzahl von Migration überfordert. Andere Menschen haben in der Migration Gefahrenpotenzial gesehen und rechte und rechtsradikale Parteien waren auf dem Vormarsch. Mit der AfD zog 2017 die erste rechte Partei seit der NSDAP wieder im Bundestag ein. Politiker:innen, welche keine Scham vor Holocaustleugnung und Narrativen wie dem großen Austausch haben, durften auf einmal in die demokratische Herzkammer der Bundesrepublik.
Durch den Rechtsruck und der Not den rechten wieder politische Macht abzugraben wurde das deutsche Asylrecht umfassend von Horst Seehofer reformiert. Viele Gesetze sind verschärft worden – etwa um abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben. Andere Reformen sollen die Integration von Flüchtlingen beschleunigen.
Die wichtigsten Reformen im Überblick:
- August 2015: Mit dem „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ bekommen "gut integrierte" Langzeit-Geduldete die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Gleichzeitig nennt das Gesetz sechs "konkrete Anhaltspunkte", um abgelehnte Asylbewerber in Abschiebehaft nehmen zu können: Dazu zählen der Versuch, sich der Abschiebung zu entziehen sowie die Bezahlung von "erheblichen Geldbeträgen" für die illegale Einreise.
- Oktober 2015: Das sogenannte Asylpaket I wird verabschiedet. Asylbewerber sollen bis zu sechs Monate in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen – anstatt wie früher drei Monate. Antragsteller aus "sicheren Herkunftsstaaten" bleiben dort bis zum Ende ihres Verfahrens. In den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Asylbewerber nur Sachleistungen bekommen. Asylbewerber mit "guter Bleibeperspektive" dürfen an Integrationskursen teilnehmen.
- März 2016: Durch das sogenannte Asylpaket II wird das Asylrecht erneut verschärft. Über Asylverfahren von Bewerbern aus "sicheren Herkunftsstaaten" und von Menschen, die über ihre Identität täuschen, wird im Eilverfahren entschieden. Ein Großteil der Verfahren soll künftig in sogenannten Ankunftszentren bearbeitet werden. Solange Asylbewerber in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, dürfen sie den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen.
- August 2016: Das Integrationsgesetz tritt in Kraft. Asylbewerber können zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet werden. Gleichzeitig werden die Integrationskurse stark ausgebaut. Geduldete erhalten einen Aufenthaltsstatus für die gesamte Dauer der Berufsausbildung – plus sechs Monate zur Jobsuche, wenn sie nach Abschluss der Ausbildung nicht übernommen werden. Anerkannte Flüchtlinge dürfen für drei Jahre ihren Wohnort nicht frei wählen ("Wohnsitzauflage"). Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte erst nach fünf (statt nach drei) Jahren und auch nur, wenn sie "gut integriert" sind.
- Juli 2017: Durch das "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" werden strengere Regeln für "Geduldete" und sogenannte Gefährder eingeführt. Ausreisepflichtige, von denen eine „Gefahr für Leib und Leben Dritter“ ausgeht, sollen in Abschiebehaft genommen werden können. Zudem können sie strenger überwacht werden (etwa mittels elektronischer Fußfesseln). Geduldete, die über ihre Identität oder Herkunft täuschen beziehungsweise nicht ausreichend bei der Beschaffung von Reisedokumenten mitwirken, sollen den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht verlassen dürfen. Außerdem sollen sie ohne Ankündigung abgeschoben werden können – selbst wenn sie bereits seit mehr als einem Jahr in Deutschland leben. Die Bundesländer sollen Asylsuchende "ohne Bleibeperspektive" bis zu zwei Jahren in Erstaufnahmeeinrichtungen unterbringen können. Derzeit geht das für maximal sechs Monate. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll Handys und andere Datenträger von Geflüchteten überprüfen dürfen, um Informationen über ihre Identität und Herkunft zu gewinnen.
- August 2019: Die Duldung light und weitere Restriktionen für Geflüchetete
- Das Abschiebungs-System wird verschärft, die Asylbewerberleistungen angepasst. Das zweite Gesetz zur "besseren Umsetzung der Ausreisepflicht" sieht folgende Gesetzesänderungen vor: Alle Asylsuchenden müssen künftig bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Erstaufnahme-Einrichtungen bleiben – längstens allerdings 18 Monate. Abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend kooperieren, können sogar länger als 18 Monate in den Einrichtungen bleiben. Ausländerbehörden sollen künftig die Möglichkeit haben, Ausreisepflichtige ohne richterliche Anordnung festzunehmen – etwa wenn sie annehmen, dass die Person untertauchen will.
- Geduldete, deren Identität nicht geklärt ist oder denen vorgeworfen wird, bei der Beschaffung von Reisedokumenten nicht ausreichend mitzuwirken, erhalten künftig eine eingeschränkte Duldung („Duldung light“). Das bedeutet: Sie dürfen ihren Wohnort nicht frei wählen, bekommen weniger Sozialleistungen und dürfen nicht arbeiten.