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Für viele in Deutschland ist das Wahlrecht eine Normalität, aber vielen Menschen bleibt dieses Recht verwehrt, obwohl sie sich gerne politisch einbringen würden und ihre Zukunft mitgestalten wollen. Ahmad durfte aufgrund seiner politischen Situation noch nie wählen. Für ihn ist das Wahlrecht ein Privileg und er will für dieses Recht weiter kämpfen.
Wahlprogramme, Werbekampagnen, Plagiate auf einer Seite und Gelächter über die Trümmer der Flutkatastrophe auf der anderen Seite sorgen für viele Diskussionen unter den Menschen und lassen sie eine wichtige Frage stellen, wen sie bei den nächsten Wahlen wählen werden.
Bei den Wahlen nur als Zuschauer!
2017 lud mich eine Freundin ein, das Wahlerlebnis im Hagener Rathaus zu erleben. Dort sah ich zu, wie die Parteivertreter:innen und Bürger:innen der Stadt die Wahlergebnisse abwarten. Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse schwankten die Reaktionen zwischen glücklich und enttäuscht, trotzdem wünschten alle den anderen viel Glück. Dies war das erste Mal, dass ich einen solchen Prozess hautnah miterlebte. Obwohl ich damals bei diesen Wahlen nicht wählen konnte, habe ich zumindest einen Tag lang den Fortschritt des Politisch-Demokratischen miterlebt.
Für mich wird der kommende 26. September noch ein normaler Tag sein, an dem ich mit meiner Familie bzw. meinen Freund:innen was unpolitisch unternehmen werde. Der Grund ist, wir dürfen nicht über die neue Zukunft des Landes mitentscheiden, obwohl wir hier seit mehr als sechs Jahren leben.
Das ist mir nicht neu, ich persönlich hatte aufgrund meiner politischen Situation nie das Wahlrecht für eine bestimmte Partei, weder in meinem früheren Wohnsitzland Syrien noch in meinem Heimatland Palästina. In Syrien gelten wir (Palästinenser:innen) und ihre Nachkommen als Flüchtlinge. Da wir die syrische Staatsbürgerschaft nicht erhalten dürfen, haben wir kein Recht, Abgeordnete oder gar den Staatspräsidenten zu wählen. Außerdem darf ich als Flüchtling bei den Parlamentswahlen sowie den Kommunalwahlen in Palästina nicht wählen, wenn sie stattfinden. Denn laut des palästinensischen Wahlgesetzes haben nur Palästinenser:innen, die im Westjordanland, Jerusalem und Gaza geboren wurden, das Wahlrecht. Und damit gelte ich als ein in Syrien geborener Flüchtling weder als Syrer noch als Palästinenser und deswegen darf ich nicht an den Wahlen teilnehmen.
Aber warum?
Artikel 21 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt, dass jeder das Recht hat, direkt oder durch frei gewählte Vertreter an der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes teilzunehmen. Allerdings sind palästinensische Flüchtlinge davon ausgenommen, weil sie keine anerkannte Staatsbürgerschaft besitzen.
Meine politische Situation spielt eine wichtige Rolle in der Politik vieler Länder wie Libanon, Syrien, Palästina und sogar Israel. Jedoch hatte ich nie eine Rolle bei der Festlegung dieser Politik und ich durfte nicht die Politiker:innen auswählen, die mich vertreten, um über meine Situation zu sprechen. Daher ist „nicht wählen zu dürfen“, als wäre man jemand, dessen Stimme nicht gehört oder respektiert wird und somit hat man keinen Einfluss auf die Politik seines Landes. Und so kann man sich an der Zukunft seines Landes nicht beteiligen und seinen Willen nicht frei äußern.
Jedes Mal, wenn ich über Wahlen in irgendeinem Land lese, frage ich mich, wann ich als Bürger meine Vertreter:innen in irgendeiner Regierung auswählen kann. Für mich ist das schwer zu ertragen, denn ich engagiere mich seit langer Zeit für Politik und würde gerne eines Tages über politischen Themen mitentscheiden können. Währenddessen weigern sich viele junge Menschen wählen zu gehen, obwohl sie in einer Gesellschaft leben, in der sie für sich die passende Partei mit ihrem Programm aussuchen können. Laut des Bundeswahlleiters nahmen 2017 mehr als 23% der Wahlberechtigten in Deutschland ihr Wahlrecht nicht in Anspruch. Warum? Interessieren sie sich nicht für Politik? Oder haben sie davor Angst, ihre Stimme in die falsche Richtung zu richten?
Wahlrecht ist ein Privileg
Meiner Meinung nach ist das Wahlrecht für Menschen in der EU oder in den USA ein Privileg, für das Generationen gekämpft haben. Mittlerweile kämpfen andere Menschen in dieser Welt immer noch für dieses Recht, ganz egal, ob sie staatenlos sind oder unter einem Diktator leben. Ich bin einer von ihnen und ich werde weiterkämpfen, bis ich eines Tages wählen gehen kann.
Mehr über Flucht, Migration und Zusammenhalt erfährst du in Koheros Multivitamin-Podcast!